Key Takeaways:
- Nachdem die Euro Schuldenkrise nach 2012 nie gelöst wurde, flammen angesichts des geldpolitischen Zugzwangs aufgrund der hohen Inflation erneut die Symptome auf
- Die EZB versucht auf künstliche Art und Weise, die Zinshöhe der Südeuropäischen Staaten zu moderieren
- Die Konsequenzen für niedriger verschuldete und solide wirtschaftende Länder wie Deutschland sind fatal, werden von der breiten Öffentlichkeit jedoch verkannt
Italien, Griechenland, Portugal und Spanien zurück in der Zinsrealität
Nach jahrelangem Zinseldorado für Italien & co. wird es im Sommer 2022 mal wieder Ernst. Konnte sich Italien noch bis ins Jahr 2022 hinein zu besseren Konditionen am Kapitalmarkt neu verschulden als z.B. die USA (!), so werden Investoren nun erneut skeptisch.
Erkennbar ist dies an den Zinsspreads. Je höher der Zinsspread zwischen italienischen, spanischen (..) und deutschen Staatsanleihen, desto größer das Mißtrauen des Kapitalmarkts gegenüber den südeuropäischen Staaten und deren Wirtschaftspolitik.
Wie so oft ging die amerikanische Zentralbank FED vornweg und hob den Leitzins nun bereits mehrfach an, um die Inflationsdynamik zu bremsen. Neben den Zinsschritten beschloß die FED zudem, die Anleihenkaufprogramme nicht nur auslaufen zu lassen, sondern sogar Anleihen aus dem Portfolio der FED am Markt zu platzieren. Stichwort: Quantitative Tightening (QT).
Und wie so oft folgen viele Zentralbanken weltweit der Marschrichtung der FED, indem sie ihrerseits die Bedingungen für Investitionen verteuern.
Genau das ist es, was den Gläubigern der EU Sorge bereitet: weniger Unterstützung für schwächelnde Länder durch die EZB führt zu steigenden Zinsen und verengter Liquidität.
Until something breaks: Die begrenzten Möglichkeiten der EZB
Dass die EZB in einem ziemlichen Schlamassel steckt, warnen Beobachter schon seit Jahren. Doch dass nun bereits die Ankündigung der EZB, die Anleihenkaufprogramme herunterzufahren und das Balance Sheet langfristig wieder zu verringern, zu Chaos bei Staatsanleihen führt, das überrascht dennoch die breite Öffentlichkeit.
Das zeigt, wie begrenzt die Möglichkeiten der EZB sind, die Inflation einzudämmen.
Zinserhöhungen und Liquiditätsentzug bestraft der Markt sofort. Das einzige Vertrauenspolster der südeuropäischen Staaten scheint die Zusage unbegrenzter Liquidität (“whatever it takes”, Mario Draghi) zu sein. Wird dieses Versprochen zurückgenommen, flüchten sich Anleger aus den Anleihemärkten.
EZB rudert noch vor der ersten Zinserhöhung zurück
Die EZB sah sich im Juni 2022 dann auch sofort gezwungen, das gebrochene Versprechen doch wieder wiederherzustellen:
Nach einer Notsitzung des Rats der EZB wurde beschlossen, dass hohe Zinsen im Süden durch Hilfe aus wirtschaftlich gesunden Teil Europas künstlich gesenkt werden sollen.
Konkret geht es um den Verkauf von Anleihen von Staaten wie Deutschland, den Niederlanden, Finnland (..). Das frei werdende Geld soll verwendet werden, um z.B. italienische Anleihen vom Markt zu kaufen. Das senkt den Zins und beruhigt die Märkte.
Im Kern passiert dabei eine Umverteilung von gut wirtschaftenden Ländern zu desolaten Ländern mit hohen Schuldenständen.
Die Konsequenz sind steigende Zinsen in Deutschland, was die Verleihfreudigkeit von Banken hierzulande schwächen dürfte.
Und damit der Wirtschaft eine schwere Bürde aufgebunden wird, die sie sicherlich eine Zeit lang zu tragen im Stande ist – jedoch nicht auf immer und ewig. Zumindest dann nicht, wenn der Bürger am eigenen Leib zu spüren beginnt, dass der Kampf für ein gemeinsames Europa viel Kraft und Wohlstand kosten wird.
Jahrelang arbeiteten die südeuropäischen Länder ohnehin auf das Ziel hin, Eurobonds zu etablieren. Anders als bisher haftet dann die Eurozone als gesamtes für die Anleihen, und nicht mehr einzelne Länder.
Mit dem Schritt, deutsche Anleihen zu verkaufen, um z.B. italienische zu kaufen, passiert prinzipiell genau das, auch wenn der technische Ablauf ein anderer ist. Das Ergebnis ist dasselbe: Europa haftet für Europa.